Corona Tour 2020

Eigentlich sollte ich in der Woche mit Freunden auf Mallorca sein und dort Rennrad fahren. Aber in Zeiten von Corona geht das natürlich nicht. Was tun ? Urlaub ausfallen lassen ? Nein, ich habe stattdessen eine kleine Deutschland Tour geplant. Ein Test für Schweden, was aber leider auch (wie alle Events) für dieses Jahr abgesagt wurde...

 

Leider sollte genau diese Woche (27.-3.5.20) ziemlich wechselhaft werden vom Wetter, nachdem wir wochenlang nur Sonne hatten :-(

D.h. genaue Planung war nötig, wann wohin, abhängig vom Wind und vom Regen.

 

Ich hatte schon eine Komoot Tour in den Norden gespeichert, an die Nordsee, in etwa wie die Race to Northsee Challenge nur 30km kürzer. Das Wetter sollte auch noch gut passen, nur Sonne und der Wind (anfangs) aus Süd West. So standen die ersten 270km schon mal fest. Wie weiter ? Es sollten wieder um die 300km sein, denn das wären ca. die Etappen, die in Schweden anfallen (davon dann allerdings 7 hintereinander).

Da der Norden einigermaßen trocken zu bleiben schien (alles oberhalb Düsseldorf), habe ich ostwärts geplant, bis kurz vor Wolfsburg. Ca. 295km. Von dort dann den Heimweg am 3. Tag allerdings wären dass dann 340km - aber ich habe ja schon einige längere Touren gemacht. Und mit etwas Glück würde ich da auch noch trocken durchkommen...

 

Es kam natürlich anders ! Aber der Reihe nach. Eigentlich wollte ich gar keinen Blog schreiben, war ja jetzt nicht soo eine große Aktion (verglichen mit letztem Jahr) und ehr als Vorbereitung gedacht. Aber während einer Tour passiert dann doch so viel, dass man denkt, davon kann man ruhig etwas teilen. Und manche freuen sich vielleicht über etwas Ablenkung in Zeiten wie diesen ...

 

Der Plan war natürlich draußen zu übernachten, also hatte ich mir im Vorfeld schon einen leichten Schlafsack (800g) und eine leichte aufblasbare Isomatte (200g) besorgt. Die Kombi hatte ich schon auf einer Wochenend Holland Tour (ja ich war illegaler weise während der Lockdown Phase dort) und habe ziemlich gefroren, da es doch nachts wohl 5 Grad kalt wurde ... Aber so kalt sollte es diesmal ja nicht werden (laut Prognose).

Tag 1

In bewährter Austattung ging es Montag früh los, allerdings erst gegen 10:30, da es noch einen wichtigen Arbeitstermin gab. Ziel Fähranleger Ditzum an der Nordsee. Da ich 270km vor mir hatte und gerne im Hellen ankommen wollte, musste ich mich etwas sputen.

 

Erstmal hieß es durchs Ruhrgebiet zu kommen, das ist natürlich nicht das beste Terrain für so ein Rennrad aber da muss man nunmal durch. Nach 43km war das geschafft und die ländlichen Gegenden lagen vor mir. Das Wetter war super, sonnig, Wind von seit-hinten. Mit lockerem Tritt kam ich ordentlich vorwärts.

 

Bei km 77 lag eine Pommesbude so verlockend am Wegesrand (und es war ja schon Mittagszeit), dass ich nicht anders konnte, als mir erstmal eine Pommes, Currywurst Majo zu gönnen. Natürlich durfte ich dank Corona nicht drinnen essen, aber zum Glück gab es in der Nähe eine Bank...

 

 


 

Ab km 101 wurde es dann richtig schön, eine ehemalige Bahntrasse bei Billerbeck, 20km ungestört von Autos einfach nur rollen lassen ... mit 130er Puls 37km/h das macht Spaß ! 


Weitere Impressionen von unterwegs

Der Dortmund-Ems-Kanal erst bei Lingen und dann bei Meppen. Ab km 135 war dann die Windunterstützung vorbei, der Wind hat immer mehr Richtung Nord gedreht. Jetzt habe ich leider auch feststellen müssen, dass die beiden Touren am Sa + So sich rächen, denn die Beine waren nicht wirklich frisch beim Start. Aber man will ja den Urlaub ausnutzen :-O


Irgendwann war dann doch mal eine Stärkung nötig und da wir ja mittlerweile Maskenpflicht hatten (und ich zum Glück daran gedacht habe eine einzustecken), habe ich mir gut bewaffnet ein Eis gegönnt (besser gesagt eine Packung mit 3 Eis, von denen 2 auf dem weiteren Verlauf der Tour - dann etwas weicher) verputzt wurden.

So ging es weiter Richtung Norden, ab km 240 wurde es langsam härter und vor allem der Hintern meldete sich schon ...

Um 21:08 war es dann endlich soweit, Ankunft nach 9:08h Fahrzeit, 272km, 845 Höhenmeter und zuletzt ordentlich Gegenwind, in Ditzum angekommen.

Natürlich war der kleine Ort wie ausgestorben, kein Laden mehr offen. Und ich hatte mich so auf ein Bierchen und eine große Portion Nudeln gefreut :-( 

Also nur mein letztes Eis gegessen, den letzten Rest Wasser aus der Flasche getrunken und einen Schlafplatz gesucht ... es war mittlerweile ca. 11 Grad und es sollte noch kälter werden.

Die Anstrengung ging doch nicht spurlos an mir vorbei und so hat mein Körper ordentlich gezittert.

Es gab die Alternative draußen auf einer Bank vor der Touristeninfo aber es gab auch ein WC mit einem Vorraum und der war schön sauber und verlockend warm (17 Grad), also habe ich meine Isomatte dort platziert, mein Rad war auch gesichert denn es drohte kein Mensch zu kommen...

Das klingt ziemlich unromatisch und mein Familie hat es gar nicht verstanden, aber für mich war es in dem Moment Luxus.

Tag 2

Die Nacht war etwas unruhig, aber das kenn ich nach längeren Touren, dennoch habe ich eine gute Mütze Schlaf bekommen und der nächste Morgen hat mich mit einem schönen Sonnenaufgang begrüßt. Allerdings war es immer noch nur 7 Grad...

Also volle Montur an und weiter gehts 

Ziel war jetzt wie beschrieben, 292km ostwärts Richtung Wolfsburg, aber woher kam der Wind ? Aus Nord-Ost und der war von Anfang an spürbar ! Mittlerweile mit Ohrstöpsel und Kopftuch bewaffnet, um die lauten Windgeräusche etwas abzumildern, ging es also ostwärts. Die Landschaft da oben ist naja, nicht soo besonders ...

Bei Bremen nach ca. 120km war es mir dann zu bunt und ich habe entschieden, umzuplanen. Das ist gar nicht so selbstverständlich, denn normalerweise ziehe ich Dinge auch durch, die ich mir vorgenommen habe. Aber der Ausblick, weitere 180km mit Gegenwind zu fahren, der war wirklich nicht verlockend.

 

Mittlerweile hatte ich auch festgestellt, dass am 3. Tag der Wind aus Süd-West kommen sollte und wo hätte ich hingemusst ? Nach Süd-West natürlich. Und 340km mit Gegenwind hätte ich auf keinen Fall geschafft. Also Komoot hergenommen und neu geplant.

 

Das neue Ziel war Bad Lippspringe, auch noch 180km aber eben Richtung Süden und damit kein Gegenwind mehr !

Zunächst hat sich die Flexibilität bezahlt gemacht, der Plan ging auf, das Fahren war wieder leichter, die Windgeräusche weniger. Was dann aber nach weiteren ca. 40km kommen sollte, waren die bis dahin schlimmsten 4km auf dem Rennrad die ich je erlebt habe. Was ist passiert ?

Die Strecken wurden immer ungemütlicher, Schotterpisten mischten sich hinein, kurze unbefestigte Waldabschnitte und schließlich ein Torfmoor !

Auf dem Bild links erkennt man etwas die Konsistenz, es war nämlich zu 80% Sand ! Gespickt mit Inseln die etwas festeren Untergrund hatten und seitlich Schienen für die Lohren, mit denen der Torf abtransportiert wurde ... 

Ich dachte zunächst OK, das endet sicher bald, sonst hätte Komoot ja keine Rennradtour da durch geplant. Aber es endete nicht !

Und wenn man mit 200Watt tritt, ebene Strecke, kein Gegenwind und dann nur 6km/h fährt, dann ist man mit 25mm Reifen im Sand. Man kommt einfach nicht vorwärts, wird von links nach rechts gezogen. Das kennt ihr vielleicht, wenn ihr mit dem eigenen Fahrrad mal irgendwo fahrt und plötzlich gibt es da lockeren sandigen Untergrund ...

Nachdem ich ca. 600m qualvoll hinter mich gebracht habe, habe ich gemerkt, dass es sich nicht ändert und es sollte noch 3km so weitergehen.

Ich habe geflucht ! Denn Zurück war auch keine Alternative. Und mein Rennrad hat mir leid getan, denn der Sand tut der Schaltung und der Kette auch nicht gerade gut. Zudem fing es auch noch an zu regnen - und das kenne ich ja von meiner 1000km Tour letztes Jahr, dann fängt auch das Smartphone an zu spinnen, das Display will nicht mehr so richtig.

Aber irgendwann habe ich einen Weg seitwärts gefunden, der zwar Abseits der richtigen Route war, aber immerhin etwas befestigter. Im Regen habe ich mich dann irgendwie zurück auf die richtige Strecke gewürgt. 

 

Was ist übrigens passiert ? Im Nachhinein habe ich festgestellt, das Komoot wohl beim Neuplanen auf den Modus "Mountainbike" gewechselt ist und das hat dann auch die holprigen Schotterpisten erklärt :-( Worauf man alles achten muss, wenn man "spontan" ist !

 

Das hat ganz schön Kraft gekostet aber ich musste noch ca. 120km ! Unterwegs lockte mich dann am Rande des Weges ein Imbiss. Ich dachte, jetzt ein paar Spaghetti die dir vielleicht wieder Kraft spenden. Aber nein, es gab nur Döner und Pommes. Und das natürlich nur ausser Haus. Und da war es gerade nicht so gemütlich. Trotzdem, Dönertasche bestellt, Ayran und alles draußen verschlungen. Es wurde schon wieder hübsch kalt.

 

Meine Familie war wie oben beschrieben nicht so happy mit meiner Unterkunftswahl am Vortag und so hat meine Tochter angeboten (besser gesagt aufgedrängt) dass sie mir ein Hotel besorgt am Zielort.

Das habe ich erst (am Morgen) abgelehnt, da ich ja eine Adventure Tour mit draußen übernachten machen wollte. Aber in dem Zustand in dem ich mittlerweile war und da es gegen Abend schon wieder anfing zu regnen, habe ich doch eingewilligt. Außerdem habe ich erneut umgeplant, denn der Wind, der Regen, der Untergrund (und mein Hintern) haben ihren Tribut gezollt. Es ging also nach Bad Salzuflen.

Normalerweise bekommt man ja wegen Corona kein Hotel, nur wenn man einen geschäftlichen Zweck nachweisen kann. Aber wer meine Tochter Anna kennt, der weis, dass sie hartnäckig ist und sie hat auch eine Bleibe gefunden !

 

Das war sie dann, meine Residenz für die Nacht. Nach 9;14h im Sattel, 252km und 845 Höhenmetern.

 

Natürlich weit weg von Adventure, aber das war mir mittlerweile auch egal (zumal Schweden ja jetzt erst nächstes Jahr stattfindet und ich bis dahin noch genug Gelegenheit habe, das zu üben ...)

Die Hausdame war dann sehr nett und entgegenkommend. Frühstück aber gab es natürlich keins. Mit dem Lieferdienst habe ich mir um 22 Uhr noch schnell die ersehnten Nudeln bestellt, in der Hoffnung, dass die Beine für die morgige Tour wieder aufgefrischt sind...

Tag 3

Dank meiner Neuplanung hatte ich nun nur noch 185km mit 1100 Höhenmetern vor mir, allerdings sollte der Wind ja genau aus der Richtung kommen, in die ich musste. Wir war bewußt, dass das hart wird, habe mich auf einen Schnitt von 23-24km/h eingestellt und die Einstellung gehabt, nützt ja nichts, da musst du halt durch.

Aber die Realität war dann doch schlimmer: das hatte vor allem mit meinem Hintern zu tun, der von den Vortagen doch arg lädiert war (vor dem Start der Tour hatte ich die 2 Tage vorher auch schon gefahren, allerdings kürzere Strecken). Auch Hirschtalkum hat da nicht mehr wirklich geholfen und so musste ich gefühlt alle 2 min die Sitzposition ändern um etwas Erleichterung zu bekommen.

 

Und da ich die Strecke spontan geplant hatte und den kürzesten Weg nach Hause fahren wollte, habe ich nicht wirklich auf die Strecke geachtet.

Mit dem Resultat, dass ich viele Städte durchquert habe. Als erstes Bielefeld, die Stadt die es angeblich nicht gibt - sie gibt es aber, in dem Fall leider, denn es ist keine Freude mit dem Rennrad durch die Großstadt zu fahren. Es folgten Gütersloh, Hamm, Dortmund, ... naja durchs Ruhrgebiet musste ich ja auch wieder.

 

Bielefeld gerade hinter mir gelassen, habe ich mich auf die erstem Wirtschaftswege gefreut und schoss in der Freude schön um die Ecke um in 15m Entfernung einen Trecker auf mich zukommen zu sehen. Mein Herz rutschte in die Hose, Vollbremsung, der Treckerfahrer auch und alles gut gegangen. Aber so schnell kann es gehen, ein kleiner Moment der Unachtsamkeit kann schon reichen...

 

Bei km 100 schaute ich schon verzweifelt auf das Navi und es schienen nur noch 60km zu sein und ich dachte ok, 2,5h musst du noch aushalten. Die Strecken durch die Städte zeichnen sich übrigens nicht nur durch landschaftliche Unattraktivität aus, sondern sehr oft auch durch sehr schlechte Fahrradwege. Wie holprig so Strecken sind, merkt man besonders, wenn man ein ungefedertes Rad fährt und der Hintern schon aussieht wie der einer bekannten Affensorte ...

 

Irgendwann musste ich feststellen, dass ich mich wohl verguckt hatte, denn es waren ja 185km insgesamt - und das ist auch kein schönes Gefühl wenn man denkt, gleich bist du da und dann musst du noch eine Stunde. Und die knackigsten Anstiege sollten auch noch kommen ! Aber dafür hatte ich ja extra eine neue Kassette hingen eingebaut (Zahnkranz), die eine leichtere Übersetzung ermöglicht. Leider scheint aber der Sand aus dem Torfmoor da reingepfuscht zu haben, auf jeden Fall wollte die Kette nicht auf den kleinsten Gang schalten und so musste ich mich so hochquälen.

 

Ach so, ca. 40km durfte ich auch noch im heftigen Regen fahren, das hat mich doch sehr an letztes Jahr erinnert nur war es diesmal noch mit Gegenwind und nicht 25 Grad sondern 13 ...

Eine der wenigen Pausen die ich gemacht habe, hier Schloss Oberwerries kurz vor Hamm. Ich hatte Null Appetit, habe während der ganzen Tour nur 1 Schokoriegel gegessen und nicht mal meine beiden Trinklaschen (je 0,75l) leergetrunken  ...

Aber immerhin heitern einen auch auf so Touren keine Dinge auf :-)

 

Schließlich bin ich dann nach 7:48 im Sattel endlich angekommen.

Insgesamt 710km, 2840 Höhenmeter, 26h im Sattel (55h unterwegs).

 

Das war nun kein Vergleich zu Mallorca und insgesamt auch nicht so schön wie ich es mir erhofft hatte, aber so ist es wenn man einen Outdoor Sport betreibt und vom Wetter abhängig ist. 

Ich sollte mir wohl auch mal Ruhe gönnen, vor allem VOR so einer Tour, denn mit laktatgefüllten Muskeln macht es sowas nicht einfacher. Und mit dem Hintern ? Irgendwie hatte ich letztes Jahr bei den 1000km weniger Probleme damit ! Liegt das am Alter ? Ich weiß es nicht ...

 

 

Wenn ich mir vorstelle, dass Schweden 7 x 300km sind und da auch Outdoor Übernachtung angesagt ist ... ich weiß (noch) nicht ...